Gedanken und Grüße zum Abschied

Liebe Gersthoferinnen und Gersthofer,

beim Abschied eines Pfarrers findet normalerweise eine Verabschiedung mit Festgottesdienst und Empfang statt. Eine solche „normale“ Verabschiedung ist zurzeit wegen Corona nicht möglich. Aber auch meine Erkrankung macht es mir gerade schwierig, feste Termine zu planen. Ich möchte eine solche Feier aber auch nicht irgendwann später im Jahr, da es mir sehr wichtig ist, dass Pfarrer Markus Dörre am 15. März neu beginnen und mit unserer Gemeinde in die Zukunft gehen kann. Deshalb habe ich selber darum gebeten, auf eine Feier zu verzichten und stattdessen das Internet und den Pfarrbrief zu nutzen. Mit meinen Gedanken, die ich niedergeschrieben habe, möchte ich zurückblicken und danken sowie gleichzeitig nach vorne schauen und den Menschen in unserer Stadt und in unserer Pfarreiengemeinschaft das Allerbeste wünschen.

Im März 2007 rief mich der damalige Generalvikar an und bat mich, als Pfarrer in die Pfarreiengemeinschaft Gersthofen zu gehen. Nach einer Bedenkzeit von drei Tagen sagte ich zu. Die kommenden Wochen bis zum Beginn meines Dienstes waren auch von meiner Sorge geprägt, ob ich dieser Aufgabe gewachsen bin. Schließlich wusste ich ziemlich genau um meine Stärken und Schwächen sowie um meine Gesundheit, die noch nie ganz stabil war.

Es gehört schon seit meiner Jugend zu meinem geistlichen Leben dazu, dass ich täglich die Lesung und das Evangelium des jeweiligen Tages betrachte und damit bete. An einem Tag, an dem ich mir ganz besonders viele Sorgen und Ängste machte, war die Lesung aus dem 18. Kapitel der Apostelgeschichte. Dort wird erzählt, dass Jesus in einer nächtlichen Vision zu Paulus, der gerade in Korinth ist, spricht: „Fürchte dich nicht! Rede nur, schweige nicht! Denn ich bin mit dir, niemand wird dir etwas antun. Viel Volk nämlich gehört mir in dieser Stadt“ (Apg 18, 9). Dieses Wort hat mich damals innerlich getroffen, getröstet und ermutigt. Immer wieder habe ich in den vergangenen Jahren daran gedacht.

Mit diesem Vers aus dem Neuen Testament im Hintergrund möchte ich einige Gedanken mit Ihnen und mit Euch teilen:

Dankbar durfte ich die Erfahrung machen, dass es in Gersthofen viele Menschen gibt, die dem Herrn gehören. Dabei denke ich an alle, die in unseren Kirchen die Gottesdienste mitfeiern und in den unterschiedlichsten Bereichen das Leben der Pfarreiengemeinschaft gestalten. Mir war es immer wichtig, den einzelnen Leuten und Gruppen eine große Freiheit zu lassen, damit möglichst viel und bunt wachsen kann. Schließlich brauchen wir keine eintönige Kirche, sondern eine vielfarbige und lebendige Gemeinschaft um Jesus. Ich habe mich immer darüber gefreut, wenn ich sehen durfte, dass nicht alles am Pfarrer hängt und viele Leute von selber Initiative ergreifen und ihre Begabungen entfalten. Dem Herrn gehören in Gersthofen aber auch viele Menschen, die in den Statistiken nicht oder nur selten auftauchen, die ihre persönlichen Glaubenswege gehen oder auf ihre Weise auf der Suche sind. Es lag mir immer am Herzen, auch die Menschen, die mit den „offiziellen“ Wegen der Kirche nicht mitgehen können oder wollen, zu sehen und für ihre Glaubens- und Lebenswege offen zu sein. So durfte ich mit vielen Menschen ein Stück ihres Weges mitgehen, selber von ihnen lernen und auch meinen eigenen Blick weiten lassen.

„Fürchte dich nicht… Ich bin mit dir.“ Ich bin sehr dankbar, dass ich von dieser Nähe des Herrn getragen wurde. Bei der Feier der hl. Messe, in den täglichen Zeiten des Betens, aber auch durch ganz konkrete Menschen hindurch wurde mir das geschenkt. „Rede nur, schweige nicht!“ In diesen Worten sehe ich auch meine wichtigste Aufgabe als Priester: die Frohe Botschaft von Jesus zu verkünden. Deshalb war mir die Verkündigung des Wortes Gottes bei den unterschiedlichen Gelegenheiten, insbesondere bei der Taufe, beim Begräbnis oder in der Predigt an den Sonn- und Feiertagen ganz besonders wichtig. Ebenso lag mir die geistliche Begleitung der Menschen bei seelsorglichen Gesprächen oder bei Krankenbesuchen sehr am Herzen. Meinen Dienst in Gersthofen habe ich sehr gerne wahrgenommen und mich immer darüber gefreut, wenn ich erleben durfte, dass Gott oft ganz klein und unscheinbar in den Menschen wirksam ist.

Nicht verschweigen möchte ich, dass der Weg nicht immer leicht gewesen ist. Ich bin ein zurückhaltender, sehr sensibler und konfliktscheuer Mensch. Deshalb ging mir auch vieles sehr nahe und ich tat mich schwer, zu sagen, wenn mir was zu viel wurde. Da ich meinen Dienst immer sehr gerne tat, ignorierte ich zu lange mehrere Warnzeichen von Körper und Seele. In den letzten beiden Jahren spürte ich aber immer deutlicher, dass ich nicht mehr die nötige Kraft habe, Pfarrer einer großen Pfarreiengemeinschaft zu sein. Gleichzeitig wurde auch die Sehnsucht nach einem Dienst stärker, bei dem ich nicht „Chef“ sein und Leitungsverantwortung tragen muss, einem Dienst, in dem ich einfach Seelsorger sein darf. In den nächsten Monaten werde ich eine Sabbatzeit machen und darauf schauen, dass ich gesundheitlich wieder in eine bessere Richtung komme. Erst danach werde ich zusammen mit den Verantwortlichen unserer Diözese überlegen, wo und wie ich wieder als Priester für die Menschen da sein kann.

Von Herzen möchte ich allen danken, mit denen ich in Gersthofen den Weg des Lebens und des Glaubens gehen durfte. Vergelt’s Gott für das Gebet, für alle Wegbegleitung, Mitarbeit und Unterstützung. Dankbar bin ich auch dafür, dass ich in meinen Schwächen und in meiner Krankheit viel Verständnis erfahren durfte. Ich denke aber auch an alle, deren Erwartungen ich nicht erfüllt habe. Als Priester bin ich Gott sei Dank auch nur ein normaler Mensch, der nicht aus seiner Haut herauskann und der auch seine Grenzen hat. Wenn ich aber jemand verletzt habe oder etwas schuldig geblieben bin, bitte ich dafür um Entschuldigung!

Im Hinblick auf unsere Pfarreiengemeinschaft erfüllt mich ein ganz großes Vertrauen. Es gibt hier so viele Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche, die ihre Berufung als Christinnen und Christen leben und dadurch das Leben der Gemeinde bereichern. Es ist schön, dass es neben den bewährten Ausdrucksformen des Glaubens auch viel Phantasie gibt, neue Formen zu suchen und ungewohnte Wege auszuprobieren. Ich freue mich, dass Pfarrer Markus Dörre mit Ihnen und mit Euch zusammen den Weg des Glaubens weiter geht. Dafür wünsche ich allen viel Freude und Vertrauen, alles Gute und über allem den Segen Gottes.

Im Gebet werde ich weiterhin an die Menschen in unserer Pfarreiengemeinschaft und in unserer Stadt denken.

Herzliche Grüße

Pfarrer Ralf Gössl

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