Predigt bei der ökumenischen Vesper zum Beginn des Advent

Predigt von Pfarrer Ralf Gössl – am Samstag, 29. November 2014 –  in Maria, Königin des Friedens

Liebe Schwestern und Brüder,

„zurzeit bin ich gar nicht in Form“ – sicher kennen Sie diese Redeweise! Und vielleicht haben Sie das auch selber schon einmal gesagt? „Zurzeit bin ich gar nicht in Form“ – das bedeutet, dass es er mir nicht gut geht und dass ich mich in meiner Haut nicht wohlfühle. Wir müssen dann etwas tun, um wieder neu in Form zu kommen: Urlaub machen; auf die Gesundheit achten; in die Natur gehen; sich eine Zeit der Stille gönnen – oder was uns sonst noch gut tut.

Gott der Töpfer des Menschen

Vom Formen und Geformt-werden haben wir eben auch in der Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja gehört. „Wir sind der Ton und du bist der Töpfer, wir alle sind das Werk deiner Hände“ (Jes 64,7) – so schreibt Jesaja. Ein sehr anschauliches Bild von Gott wird uns da geschenkt. Ein Gott, der an seiner Töpferscheibe sitzt, den Menschen formt und modelliert. Bilder aus dem Schöpfungsbericht werden da in uns lebendig: „Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem“ (Gen 2,7). Gott der Töpfer und wir der Ton – das ist ein sehr behutsames und geduldiges Bild von Gott. Wir haben doch alle dieses Bild vor unseren inneren Augen. Der Mensch, der an der Töpferscheibe sitzt und ein Gefäß formt. Manchmal langsam und dann wieder schneller dreht sich die Töpferscheibe. Der Töpfer muss manchmal stärker hinlangen und dann aber auch wieder ganz vorsichtig und behutsam sein. Mitunter kann es auch passieren, dass er wieder von vorne anfangen muss. Gott der Töpfer und wir der Ton. Das ist das Bild eines geduldigen Gottes, der hinschauen und zuschauen kann. Ein Gott, bei dem wir nicht sofort und über Nacht fertig sein müssen. Er gibt uns vielmehr Zeit – viel Zeit – zu unserer Formung und dazu, dass wir unsere Gestalt finden. Ja bei ihm dürfen wir auch gerne wieder von Vorne anfangen. Gott ist nie verlegen, dem Werk seiner Hände wieder eine neue Chance zu geben.

Das Leben auf der Töpferscheibe

Liebe Schwestern und Brüder, die Töpferscheibe Gottes ist ein Bild für unser Leben. Alles, was in unserem Leben geschieht, soll letztendlich dazu beitragen, dass wir unsere Gestalt und unsere Form finden. Dazu gehört es, dass sich diese Töpferscheibe manchmal schneller dreht und wir eingebunden sind in die vielen Anforderungen unseres Lebens. Dann aber muss die Töpferscheibe auch wieder langsamer werden, um besser hinschauen zu können, was jetzt gerade wichtig ist. manchmal muss sie auch still stehen, um zu überlegen: Wie mache ich weiter? Muss ich vielleicht nochmal von vorne beginnen? Zu unserer Formung tragen auch die verschiedenen Lebenserfahrungen bei: Die Glücksmomente, bei denen wir uns so gut in Form fühlen, sind für jeden Menschen besonders schön. Gleichzeitig aber braucht es auch die Krisen und die schmerzhaften Erfahrungen, die unser Leben auch prägen. Manchmal spüren wir dann – gerade auch aus dem Rückblick heraus – dass schwierige Lebenserfahrungen uns wieder neu in Form gebracht haben. Vielleicht hätte unser Leben – ohne diese oder jene Enttäuschung oder Krankheit – eine ganz andere Wendung erfahren. Und wir sagen dann nach vielen Jahren: Diese Zeit, auch wenn sie schwer war, ist eine wichtige und eine prägende Zeit für mich gewesen. Gleichzeitig aber sind wir als Menschen kein lebloser Ton, der allem und jedem ausgeliefert ist. Denken wir an den Lebensatem, den Gott seinem Werk eingehaucht hat. Wir haben auch unseren freien Willen. Dazu gehört, dass wir auch die Entscheidung treffen können von wem und von was wir uns formen und unser Leben gestalten lassen. Bei allem brauchen wir die Geduld, die Gelassenheit und den Mut zu sagen: Ich muss noch nicht fertig sein, ich darf immer neu meine Gestalt finden. Denn Leben ist immer bruchstückhaft und nie ganz fertig. Letztendlich werden wir erst dann einmal vollkommen formvollendet sein, wenn wir durch die letzte große Krise – den Tod hindurch – bei Gott ankommen.

Sich vom Advent formen lassen

Liebe Schwestern und Brüder, ein Ausschnitt unserer Lebenszeit ist der Advent, den wir heute miteinander ökumenisch beginnen. „Advent“ heißt „Ankunft“ und er trägt damit den großen Ernst in sich, dass wir dem wiederkommenden Herrn entgegengehen. Gleichzeitig aber spiegelt sich in dieser Zeit auch die große Erwartung – vielleicht könnte man auch Abenteuer sagen – was da in unserem Leben noch alles auf uns zukommt!? Der Advent möchte uns in Form bringen, damit wir richtig leben können. Und der Advent möchte uns auch in Form bringen, damit wir richtig Weihnachten feiern können! Jedoch müssen wir uns dabei auch die kritische Frage gefallen lassen: Formen wir uns den Advent so, wie er uns passt? Formen wir den Advent nach den Maßstäben des Marktes, des Konsums und des Kommerz? Formen wir den Advent – oder lassen wir uns vom Advent formen und gestalten? „Was muss ich tun, um mich vom Advent formen zu lassen?“ – diese Frage kommt dann schnell hoch. „Was muss ich tun?“ – mit dieser Frage bin ich dann auch ganz schnell auf dem falschen Weg! Denn ich muss zunächst einmal gar nichts tun. Ich darf diese Zeit einfach auf mich wirken lassen – und zwar die Adventszeit in all ihrer Nüchternheit. Wenn ich geduldig das langsam wachsende Licht an der Wurzel oder am Adventskranz betrachte, dann hat das seine prägende Wirkung. Wenn ich die Worte der Propheten und der entsprechenden Evangelien im Gottesdienst höre, dann formt mich diese Botschaft von innen her. Wenn ich auf die Menschen der Bibel schaue, die mich durch den Advent begleiten: Johannes den Täufer, Maria, Josef…, dann bleibt das nicht ohne Wirkung. Und wenn ich mich mit meinem ganzen Herzen nach Jesus sehne, meinem Heiland und Erlöser, dann finde ich von selber den Weg zu einer Adventsgestaltung, die mir gut tut. Somit kann ich mich – wie das Gefäß auf der Töpferscheibe – einfach der Wirkung der Adventszeit überlassen. Alles möchte zusammenwirken: Das Spiel von Dunkelheit und Licht, das langsam wachsende Licht, die Texte der Heiligen Schrift und der Adventslieder, die Menschen denen wir in der Bibel und im Brauchtum begegnen. Alles möchte zusammenwirken, damit wir in Form kommen für Weihnachten.

„Zurzeit bin ich gar nicht in Form“ – diese Erfahrung, liebe Schwestern und Brüder, werden wir immer wieder machen. Gleichzeitig aber wünsche ich uns die Gelassenheit, die innere Spannung und auch den Mut, uns in Form bringen zu lassen. Gott, der Töpfer, hat dabei viel Geduld mit uns, dem Werk seiner Hände.   Amen

 

 

 

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