Predigt von Pfarrer Ralf Gössl am Fest der Taufe des Herrn

Liebe Schwestern und Brüder,

das, was in den letzten Tagen in Paris passiert ist, hat uns alle sehr erschrocken. Ja – es hat uns fassungslos und sprachlos gemacht. Bisher war der Terror scheinbar immer noch weit weg – im Nahen Osten oder am 11. September 2001 in den USA. Nun ist der Terror ganz nah an uns herangekommen! Mir ist bewusst, dass das Satiremagazin Charlie Hebdo Karikaturen veröffentlicht hat, die gläubige Muslime und auch uns Christen verletzt haben. Und dennoch ist es mit nichts zu rechtfertigen, wenn in einer demokratischen Gesellschaft Menschen – Journalisten – für ihre freie Meinungsäußerung niedergemetzelt werden. Als gläubige Menschen müssen wir auch Satire aushalten und uns im Dialog und in der Diskussion den Menschen unserer Zeit stellen. Das Bild Gottes wird nämlich nicht durch Satire und Karikaturen entstellt. Vielmehr wird das Bild Gottes durch jene entstellt, die in seinem Namen anderen Menschen Gewalt antun. Und hier dürfen wir Christen nicht mit dem Finger auf andere Religionen zeigen. Wir müssen schlichtweg bekennen, dass auch von Menschen unseres Glaubens immer wieder Gewalt ausgegangen ist.

In dieser Situation feiern wir heute – am Ende der Weihnachtszeit – das Fest der Taufe des Herrn und werden an den Jordan geführt (vgl. Mk 1,7-11). Auch damals war die Zeit – politisch und religiös – sehr aufgeheizt! Die verhassten Römer hatten das Land besetzt. Viele duckten sich damals weg, weil sie eh keine Chance hatten, sich gegen die Römer aufzulehnen. Andere haben versucht, für sich das Beste rauszuholen und haben mit den Römern gemeinsame Sache gemacht – wie z.B. die Zöllner. Aber es gab auch die Zeloten, die Eiferer, wir könnten sie auch die Terroristen der damaligen Zeit nennen, die sich mit Gewalt gegen die Fremdherrschaft aufgelehnt hatten. In dieser so aufgeheizten Zeit tritt nun Jesus zum ersten Mal in der Öffentlichkeit auf. Und wir Christen von heute sind eingeladen, auf ihn zu schauen, an ihm Maß zu nehmen und im Standpunkt Jesu unseren eigenen Standpunkt zu finden.

Zunächst sehen wir etwas, wenn wir heute innerlich zum Jordan gehen. Wir sehen Jesus, der sehr behutsam auf die Menschen zugeht. Etwa 30 Jahre lang hat er einfach und schlicht als Mensch unter den Menschen gelebt. Er wollte das Leben des Menschen aus eigener Erfahrung kennen lernen. Und nun stellt er sich ganz einfach und schlicht wieder unter die Menschen, die am Jordan auf die Busstaufe Johannes des Täufers warten. Er fragt nicht danach, was diese Leute glauben oder nicht glauben… Er fragt nicht danach, was sie alle auf dem Kerbholz haben… Er fragt nicht nach ihrer Weltanschauung und Religion. Nein! Er stellt sich einfach unter die Menschen und zeigt ihnen seine Solidarität. Diese Behutsamkeit im Umgang mit den Menschen wird das ganze öffentliche Leben Jesu kennzeichnen. Letztlich waren es nur die Hartherzigen und die Selbstgerechten, die auch harte Worte von ihm hören mussten. Er ist wirklich der Gottesknecht, von dem wir in der ersten Lesung gehört haben: „Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Straße erschallen. Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus“ (Jes 42, 2f). Das sehen wir, wenn wir auf Jesus schauen! Den Heiland und Bruder, der einfühlsam, behutsam und verständnisvoll mit den Menschen umgeht.

Wir hören aber auch etwas, wenn wir heute innerlich zum Jordan gehen. Es ist die Stimme des Vaters, die zu Jesus spricht: „Du bis mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“ (Mk 1,11). Es ist ein Kompliment, eine Liebeserklärung, die Jesus da hören darf. Und ich bin mir sicher, dass das für ihn eine große Rückenstärkung war und dass er auf seinem Weg immer wieder an dieses Wort gedacht hat.

Liebe Schwestern und Brüder! Das, was wir heute am Jordan sehen und hören, ist auch für unser Leben als Christen von heute wichtig. Wir dürfen dankbar dafür sein, dass wir durch unsere Taufe zu Jesus gehören. Deshalb ist der Standpunkt Jesu auch unser Standpunkt und sein Leben ist Maß für unser Leben. Zusammen mit ihm darf auch jeder von uns die Stimme Gottes hören: „Du bist meine geliebte Tochter. Du bist mein geliebter Sohn. An dir habe ich Gefallen gefunden.“ Dieses Kompliment dürfen wir uns von Gott selber schenken lassen. Gleichzeitig haben wir die Berufung, dieses Kompliment Gottes weiter zu schenken. Dazu gehört es auch, dass wir in jedem Menschen dieser Welt das Bild Gottes entdecken und jeden Menschen als ein geliebtes Geschöpf Gottes betrachten. Ich weiß auch, dass uns Christen nicht überall Respekt und Toleranz geschenkt werden. In vielen Ländern werden Christen wegen ihres Glaubens verfolgt. An sie denken wir auch im Gebet und über ihr Leid dürfen wir nicht schweigen! Aber uns Christen sollten Gedanken der Rache und Vergeltung fernliegen. Auch die christlichen Kirchen mussten Respekt und Toleranz vor anderen Religionen und Lebensentwürfen erst lernen. Die Aufklärung und die Gegebenheiten der modernen Welt haben sich hier auch positiv auf die Kirche ausgewirkt. Als Christen in einer modernen und oft komplizierten Welt haben wir die Berufung – Respekt, Toleranz und Erbarmen positiv vorzuleben.

Liebe Schwestern und Brüder, wir sind erschrocken über das Ausmaß des Terrors in unserer Welt und müssen uns dem – nach unseren Möglichkeiten – auch entgegenstellen. Gleichzeitig aber dürfen wir nicht der Gefahr erliegen, auf einseitige Parolen zu hören und Menschen einer Religion undifferenziert dafür haftbar zu machen.

Wir schauen heute auf Jesus, der ganz behutsam auf die Menschen zugeht und wir hören mit ihm die Stimme Gottes, die auch uns als geliebte Töchter und Söhne bezeichnet. Durch unsere Taufe sind wir geweiht und gesalbt, unseren Teil dazu beizutragen, dass alle Menschen guten Willens in Respekt, Toleranz und Frieden miteinander leben können.             Amen.

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